Leewellenflug am 07.12.2017 – Bericht von Martin
Nikolauswelle 2.0
Die Wintersaison läuft und die meisten Flugaktivitäten sind eingestellt. Ab und an, zumindest immer dann, wenn der Sturm aus Südwest kommt, können Leewellen auch im Winter zu unvergleichlichen Flugerlebnissen führen. Von Martin und David, unseren beiden Wellenreitern, kennen wir das ja schon. So ist ihnen die Wetterlage am 07.12., dem Tag nach Nikolaus, nicht entgangen.
Doch diesmal waren mit Nico im Discus sowie Johannes und Paul in der Dimona mit von der Partie. Martin hat, wie so oft, einen kleinen Artikel dazu.
Nikolauswelle 2.0 oder der Familienwellenausflug des LSV Gifhorn
Es ist das Wochenende Anfang Dezember, als ich mal wieder die Wettervorhersage beobachte. Wie vor zwei Wochen, als der Harz nur so gebebt hat und 7000m erflogen worden sind, sollte es am Tag nach Nikolaus wieder eine Südwestwetterlage geben. David war auch sofort Feuer und Flamme für die Aktion, also wurde flugs ein Gleittag eingereicht und die Flugzeuge organisiert. Danke schonmal an den Verein für den Discus E2, mit dem David unterwegs war und Steffen für SZD-59 6B, mit denen wir losziehen wollten.
Also trafen wir uns am Tag davor in Wilsche, alles vorzubereiten und die Sauerstoffanlagen einzubauen. Bevor es jedoch soweit war, stand das Telefon nicht still. Nico und Johannes waren auch an die Information über Wellen gekommen und riefen mich nun an, ob und wie denn das wäre. Prinzipiell ist es ja eine gute Sache, auch einmal ein paar mehr Vereinsmitglieder einzuweisen.
Da die Wettervorhersage eher nicht nach Rekorden aussah, konnten Martin und David auf die doppelte Sauerstoffanlage im Flugzeug verzichten, die sonst für Flüge jenseits der 6500-7000m von den beiden genutzt wird. Damit war es für Johannes und Paul möglich, dank Toms Dosiergerät, auch über 3000m zu steigen.
Telefonisch wurde uns auch die Startmöglichkeit in Aschersleben offeriert, also konnte es losgehen.
Früh um 0600 klingelt der Wecker, der Plan sieht vor, daß wir alle drei zusammen gegen 0900 in Aschersleben sind. Das funktioniert auch soweit hervorragend. Johannes ist auch schon mit Paul und der Dimona da. Also werden die Flugzeuge zusammengesteckt. Neben uns haben auch noch eine Menge Leute aus Brandenburg die Vorhersage gelesen und bauen auf…
Da Martin auch noch eine kleine 0,8l Sauerstoffflasche mithat, kommt nun auch Nico in den Genuß von einer Sauerstoffanlage, da sich Johannes und Paul ein Gerät teilen wollen. Wie wichtig das wird, ahnen wir freilich noch nicht.
So gehen ab 1000 die Starts der Reihe nach raus und wir sammeln uns in einer der höheren Wellenordnungen. Direkt südwestlich von Aschersleben kann man schon in unter 1000m im laminaren Steigen ausklinken und es geht sachte hoch. Was wir erst beim abendlichen Durchsehen der Flüge festgestellt haben: Das war die 4. Welle des Ramberges, faszinierend, wie lange das noch geht.
Nachteil war, daß man sich so immer wieder aus knapp über 1000m, wo die Welle endete, in die nächste höhere Ordnung arbeiten mußte. Das gelang zwar immer besser, je näher man dem Ramberg kam, aber ab und an nur unter Zuhilfenahme der Rotoren. So etwas ist, ohne Wolken und genaue Kenntnis des Windes, bisweilen eher Glücksspiel, aber wenn man genau auf Gernrode zielt und gegen Wind und Saufen die Fahrt und die Nerven behält, paßt es eigentlich immer ganz gut, da dort der Ramberg als Wellenauslöser sitzt.
Etwas Arbeit später kommen wir so gemeinsam am Ramberg in der Primärwelle an und es geht endlich an die 3000m ran. Also auf zum Brocken…
Der Weg zum Brocken ist in der Höhe ein Kinderspiel, man muß einfach nur die nördliche Harzkante abreiten. Bei Thale, Neinstedt und Blankenburg trifft man so zuverlässig auf Wellen. Es ist trotzdem interessant, wie gut das alles noch geht obwohl der Wind sehr weit aus West kommt – eigentlich wenig ideal für den Harz.
Von Blankenburg aus steche ich direkt Richtung Brocken, um dort in die Welle einzusteigen. Die ist zwar nicht durch Rotorwolken oder Lenticularis markiert, man kann sie aber bei scharfem Hinsehen in der dunstigen Bodenschicht erspähen. Hat man die Stelle erreicht, zeigt das Vario das erwartete Steigen. Mit etwa 1,8m/s geht es hoch, aber die Freude währt nicht lange. Leider ist die Primärwelle des Brockens außerhalb der Wellenflugzone und damit kommen wir nicht höher, als 3000m, was genau FL100 entspricht. Immerhin kann ich so von Nico ein Bild machen…
Was nun? Ein Blick auf die Sekundärwelle erhoffe ich mir, aber entweder ist sie kaum vorhanden, was ich mir bei dem in die Richtung wenig passendem Geländeprofil vorstellen kann, oder ich bin schlicht zu blöd. Wahrscheinlich zweiteres… Na egal, also weiter nach Westen. Zusammen mit David in der E2 und Nico graben wir so bei Ilsenburg ein schwaches Wellchen aus, das genau auf der Kante des Luftraums ist. So geht es bis knapp über 3000m, aber eben auch nicht viel höher.
Während die anderen beiden dort noch etwas bleiben, ist mir die Welle zu schwach, also schaue ich mal nach Westen weiter. Auch dort sagen die Wolken, daß es heftig schaukelt. Ohne Höhenverlust geht es so bis weniger km vor die A7. Dort wird jedoch die Bewölkung unter mir immer dicker.
Je weiter der Kurs nach Westen geht, umso weniger Föhneffekt ist vorhanden. Obwohl es sicher von den Wellen her machbar wäre, bis ins Wesergebirge an den Ith und von da aus an die Porta zu kommen, geht das mit geschlossener Wolkendecke knapp 1000m tiefer sicher nicht gut. Das bei 90km/h Gegenwind einsehend drehe ich das Flugzeug herum und fliege Richtung Brocken zurück, zumal es auch langsam auf den Sonnenuntergang zugeht.
Eine kleine Überraschung hatte sich die Brockenhexe aber noch für uns aufgehoben: Im Laufe des Tages drehte der Wind leicht in südlichere Richtung. Ein paar Grad waren es vielleicht nur, aber sie änderten das Strömungsfeld so, daß wir plötzlich direkt über Ilsenburg eine Welle fanden, die uns mit teilweise bis 3m/s in den Orbit hievte. David und Nico waren nicht weit weg und so fanden wir sie nahezu gleichzeitig, so daß wir gemeinsam noch einen Angriff wagen konnten. Die andere waren da schon auf dem Heimweg.
Höher und höher ging es, da das Steiggebiet auch in der Wellenzone lag. Also wurde der Sauerstoff aufgedreht und Nico freute sich nun wie ein Schneekönig, daß er doch eine Sauerstoffanlage mit hat. Erst kommen wir so auf 4000m, dann zeigt das Instrumet sogar noch 5000m an, Wahnsinn. Das hatten wir dem Tag gar nicht mehr zugetraut, da das einzige, richtige Steigzentrum eher südlich der Wellenflugzone war.
Zum Vergleich, 2015 war es, bei der ersten Version der Nikolauswelle, fast die gleiche Wetterlage…
So kommt mir auch David noch vor die Linse…
Mit dem steten Blick auf die Uhr genießen wir den Flug, so lange es geht. Leider macht mit Sonnenuntergang die Wellenflugzone dicht, deswegen müssen wir uns doch irgendwann von der Aussicht lösen. Also geht es auf den Heimweg.
Der Rest des Tages ist dann schnell erzählt. Mit Wahnsinnsgeschwindigkeit über Grund – teilweise bis über 300km/h mit fast 100km/h Rückenwind, sind wir in buchstäblicher Windeseile wieder am Platz, steigen ab und Landen. Wie immer sind die Wilscher die Letzten. Dann folgt nur noch Flugzeuge abbauen und ein kurzer Plausch mit den anderen. Johannes und Paul sind derweil direkt nach Hause geflogen.
Und Nico? Der kann seinen ersten Wellenflug kaum fassen, läuft aufgeregt und grinsend herum und freut sich über das unerwartete Erlebnis. 5000m beim ersten Mal sind schon eine Ansage und das bei dem Wetter und nahezu perfekter Sicht.
Es ist erwartungsgemäß dunkel, als wir die Anhänger ankuppeln und die Heimfahrt antreten. Den Tag werden wir alle so schnell nicht vergessen. Danke noch einmal an die Ascherslebener fürs Wellenfenster und die Schlepps. Bestellt schon einmal die nächsten Wetterlagen, dann kommen wir wieder!
PS: Nico muß es wohl so gefallen haben, daß er sich dachte, haben ist das neue brauchen. Also wechselt Martins kleine Sauerstoffpulle für ein paar Euro den Besitzer, da nur die in den engen Discus passt. Sie lag bei ihm eh nur im Keller. Ein paar Tage später hat Nico auch gleich noch eine Sauerstoffanlage und eine 2l Flasche besorgt. Offenbar haben wir jetzt den Nächsten, der im Winter sauerstoffschnüffelnd an der Nasenkanüle hängt 😉